Textile Beschaffung – Kreislaufwirtschaft nimmt Fahrt auf

Pilotprojekt zum Thema Kreislaufwirtschaft von Mitarbeiterbekleidung

06.02.2025

Zusammen mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zeigt der Gesamtverband textil+mode, wie Kreislaufwirtschaft in der öffentlichen Beschaffung umgesetzt werden kann. Wir haben mit Kreislaufwirtschafts-Experte Jonas Stracke über das gemeinsame Pilotprojekt, erste Erfolge und nächste Schritte für eine wirtschaftlich nachhaltige Verwertung von Mitarbeiterbekleidung gesprochen.

 

textil+mode: Bund, Länder und Kommunen beschaffen jedes Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 500 Milliarden Euro. Ein Teil davon sind Textilien, insbesondere Berufsbekleidung. Die Bundesregierung hat sich in verschiedenen Aktionsprogrammen und Strategien dafür ausgesprochen besonders die Nachhaltigkeit deutlich stärker in das Vergaberecht und in öffentlichen Ausschreibungen zu integrieren. Fokus liegt dabei besonders auf transparente Lieferketten sowie die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards in Beschaffungspraktiken. Mit den Berliner Verkehrsbetrieben hat textil+mode jetzt ein Pilotprojekt zum Thema Kreislaufwirtschaft für Mitarbeiterbekleidung begonnen. Worum geht es dabei genau?

Jonas Stracke: Die öffentliche Beschaffung ist tatsächlich ein Bereich, wo große Mengen von Textilien beschafft, aber auch zu einem Zeitpunkt wieder entsorgt werden müssen. In dem gemeinsamen Projekt mit der BVG haben wir uns mit der nachhaltigen Beschaffung der Mitarbeiterbekleidung beschäftigt und gemeinsam mit den Verantwortlichen im Unternehmen überlegt, was über die Beschaffung hinaus mit den großen Mengen ausgesonderten Textilien passieren kann, ganz im Sinne einer tatsächlichen Kreislaufführung. Unser Ziel ist es zu erarbeiten, wie Bekleidungsstücke, die nicht mehr im Gebrauch der BVG-Mitarbeiter sind, durch den Arbeitgeber sinnvoll gesammelt, sortiert und verwertet oder sogar recycelt werden können.

textil+mode: Um welche Mengen handelt es sich in etwa?

Jonas Stracke: Die BVG hat rund 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Etwa die Hälfte von ihnen werden für ihren Dienst mit entsprechender Bekleidung ausgestattet. Die Produktpalette ist groß, denn für unterschiedliche Einsätze in der BVG bedarf es auch unterschiedliche Kleidung. Der Service-Mitarbeiter in der Kundenbetreuung trägt andere Bekleidungsteile als eine Mitarbeiterin, die in der Betriebssicherheit arbeitet. Von Hosen, Hemden, Krawatten, Westen, Jacken und Sicherheitsbekleidung ist alles dabei. Diese Vielfältigkeit und die schiere Masse der Bekleidungsstücke, die kontinuierlich aufgrund von Verschleiß ausgesondert wird, zeigen, dass die Kreislaufführung von Textilien im Bereich von Mitarbeiterbekleidung besonders bei großen Organisationen ein zentrales und wichtiges Thema ist. Gleichzeitig bietet es eine große Chance, die großen Mengen von Alttextilien durch den Arbeitgeber wieder geschlossen einzusammeln und damit dann tatsächlich auch innovative Recyclingströme füttern zu können, die über den Pilotmaßstab hinaus gehen.

textil+mode: Wie genau seid ihr vorgegangen und was ist die konkrete Zielsetzung in diesem Projekt?

Jonas Stracke: textil+mode hat sich mehrmals mit dem Team der BVG getroffen, um den gemeinsamen Rahmen des Projekts abzustecken und zu überlegen, wie die Rücknahme und Verwertung der ausgesonderten Arbeitsbekleidung organisiert werden kann. Gestartet sind wir also mit der Organisation der internen Sammlung, was die BVG als große Sammel-Aktion schlussendlich erfolgreich umgesetzt hat. Anschließend haben wir die gesammelten Textilien untersucht, auch um ein Verständnis zu bekommen, welche Trageeigenschaften und Verschleißmerkmale die Produkte aufweisen. In einem nächsten Schritt haben wir die Produkte dann sortiert nach Materialität und wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeit und haben überlegt, wie welche Teile weiter genutzt oder am sinnvollsten recycelt werden können.

textil+mode: Kann nun also aus alter Mitarbeiterbekleidung durch das Recycling wieder neue Mitarbeiterbekleidung entstehen?

Jonas Stracke: Zuerst einmal ist wichtig zu verstehen, dass die unterschiedlichen Bekleidungsteile der jeweiligen Unternehmensbereiche ganz unterschiedliche Eigenschaften und Anwendungsbereiche haben. Eine Winterjacke hat andere Anforderungen an einen möglichen Recyclingprozess als eine weiße Baumwollbluse. Eine Unterscheidung ist grundlegend erstmal wichtig, damit ein hochwertiges Recycling etwa für die Baumwollbluse erfolgen kann. Von Vorteil ist hier, dass die BVG genau weiß, wie ihre Produkte aufgebaut sind. Die Idee des tatsächlichen Faser-zu-Faser-Recycling ist nicht zwangsläufig auch immer die beste Lösung. Für Jacken, die im guten Zustand sind, haben wir uns im Pilotprojekt dazu entschieden, firmenrelevante Logos entfernen zu lassen und den Jacken ein zweites Leben zu geben. Denn auch hier gilt: Je länger ein Teil getragen wird, desto nachhaltiger ist es.

Für einen Teil der Textilien, wie die Baumwollbusen, gibt es dann tatsächlich Lösungen diese wieder in den Materialkreislauf zu führen. Zusammen mit Partnern der Textil- und Bekleidungsindustrie werden nun aus den Blusen quasi wieder neue Teile. Denn die Blusen gehen nach dem Recycling als Beimischung in neue Produkte mit ein. Aus wollhaltigen Bekleidungsstücken wie Wollhosen oder Sakkos werden hingegen keine neuen Bekleidungsstücke, sondern textilie Produkte, die in der Inneneinrichtung von Büros oder als Laptop-Taschen verwendet werden können.

textil+mode: Besonders die Sortierung scheint aufwendig zu sein. Lohnt sich diese kleinteilige Sortierung für die BVG überhaupt?

Jonas Stracke: Jeder Anfang ist schwer, besonders wenn es darum geht, die Bekleidung von rund 8.000 Mitarbeitenden zurückzuholen und nachhaltig zu verwerten. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft innerhalb des Unternehmens bringt neue Herausforderungen und Fragestellungen mit sich, etwa wie sich dieses innovative Konzept effizient in den Geschäftsalltag integrieren lässt.

Ein entscheidender Vorteil der BVG ist jedoch, dass sie genau weiß, welche Textilien in ihrem Arbeitsbekleidungs-Portfolio vorhanden und im Umlauf sind. Dadurch kann die Sortierung gezielt anhand des definierten Produktportfolios organisiert werden – ein wesentlicher Schritt in Richtung nachhaltige Wiederverwertung. Das Projekt verfolgt dabei das Ziel, wertvolle Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln.

Im Vergleich zur herkömmlichen Altkleidersammlung, bei der die Sortierung eine große Herausforderung darstellt, weil verschiedenste Textilien in einem Sammelbehälter landen, hat die BVG eine klare Ausgangslage. Sie kennt die ausgegebenen Produkte genau und kann gezielt darauf hinwirken, dass Alttextilien effektiv zurückgeführt werden – beispielsweise durch eine Rückgabepflicht beim Erhalt neuer Arbeitskleidung. So entsteht ein geschlossener Kreislauf, in dem Alttextilien systematisch verwertet und weiterverarbeitet werden können.

textil+mode: Wird die BVG jetzt zum großen Textilrecycler oder mit wem arbeitet ihr zusammen, wenn es ans Recyceln geht?

Jonas Stracke: Die BVG wird nicht selbst zum großen Textilrecycler, sondern setzt auf die Expertise erfahrener Partner – und genau hier kommen wir als textil+mode ins Spiel. Wir beraten die BVG hinsichtlich der besten Recyclingoptionen und organisieren mit spezialisierten Partnern aus der Textil- und Bekleidungsindustrie innovative Lösungen. Da das Projekt zunächst als Pilot gestartet wurde, sind die Rücknahmemengen noch überschaubar. Wir haben es dennoch geschafft, mit Partnern neue Produkte aus diesen Alttextilien zu entwickeln, die über das Pilotprojekt hinaus auch im industriellen Maßstab weitergeführt werden. Erste Ergebnisse präsentieren wir zeitnah.  

textil+mode: Vielen Dank für das Gespräch!